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Die Erosion des Rechtsempfindens

In meinem politisch korrekten Bekanntenkreis erlebe ich aktuell ein merkwürdiges und erschreckendes Phänomen: Die Erosion des Rechtsempfindens, was Kollektivstrafen betrifft. Für mich gilt der Grundsatz, dass jemand, der Teil einer Gemeinschaft ist, in dem es durch ein Mitglied der Gemeinschaft zu einem Rechtsbruch kommt, mit diesem "Täter" zusammen nicht bestraft werden darf, wenn er für dessen "Tat" als "Mittäter" nicht direkt mitverantwortlich ist. "Doping" ist ein solcher Rechtsbruch. Die Ausblendung der öffentlich-rechtlichen Sender aus der Berichterstattung von der Tour de France bestraft aber diejenigen Fahrer, die "sauberen" Sport betreiben und Außerordentliches und Bewundernswertes leisten. Politisch Korrekte wenden sich wutschnaubend gegen das private Fernsehen, das in diesem Sinne doch nur unsere positive rechtsstaatliche Ordnung bewahrt.

Auch politisch Konservative arbeiten immer häufiger mit
Generalverdacht und Generalverurteilung ganzer Kollektive. Die vorausschauende Bestrafung sozialer Umfelder "islamischer Terrorismus", "Ausländer und 'Zugeroaste'" aber auch "Hooligans" erwächst aus der Ungeduld und der Unzufriedenheit mit den rechtsstaatlichen Prozeduren. Sind wir uns eigentlich bewusst, wie schnell wir den Rechtsstaat unnötig und vorschnell preisgeben und damit das demokratische Rechtsempfinden massiv gefährden?

Rechtsunsicherheit auch im sozialen Bereich:
Bestandsschutz bedeutet gesicherte Lebensplanung. Wenn wir individuelle Lebenspläne durch leichtfertiges und voreiliges kollektives Außerkraftsetzen von Besitzständen gefährden, dann leidet die Rechtssicherheit. Rentenkürzungen und sonstige Sanierungsmaßnahmen - im Nachhinein - obwohl der Bürger vom Bestand der getroffenen Regelungen ausgehen musste, sorgen für eine weitere Erosion des "gesunden Rechtsempfindens", enttäuschen die Rechtsgeschützten und schwächen die Motivation den Rechtsstaat zu entwickeln und zu verteidigen. Härten sollten eigentlich eher denen aufgezwungen werden, die im Bewusstsein solcher Härten handeln und planen können. Soziale Bestrafungen "rückwärts" und im Nachhinein sind in diesem Sinne ein Angriff auf den Rechtsstaat und unterhöhlen ihn.

Kommt schließlich auch noch die
weit verbreitete Neigung hinzu, vorhandene Gesetze nicht konsequent anzuwenden sondern für ungelöste Probleme, die auf der Basis alter Gesetze hätten gelöst werden könnten, durch symbolische Politik trojanische Neuregelungen zu schaffen
, dann müssen wir uns nicht wundern, wenn nachfolgende Generation den Rechtsstaat nicht für eine sichere und komfortable Heimat sondern für eine eigenwillige private stets individuell interpretationsfähige verkommene Wiese halten, auf die jeder sein Unkraut pflanzen darf.