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Die Gegenwart hat immer recht!
Es gibt kaum etwas Überraschenderes, Arroganteres und Rechthaberisches als die Gegenwart. Dabei gehört zu den irritierendsten Erkenntnissen der modernen Philosophie, Neurologie und Neuropsychologie - spätestens seit dem Aufkommen des Konstruktivismus, dass es die Gegenwart, so wie wir sie individuell alltäglich verstehen, eigentlich gar nicht gibt. Aber auch die aktuell kollektiven Hysterien lassen sich an dem Mißverständnis festmachen, dass die Gegenwart urplötzlich, und für uns alle so "einmalig", ganz anders geworden sei. Man spricht dann ständig davon - besonders dümmlich wie unsere noch aktuelle Außenministerin, dass man "in einer anderen Welt aufgewacht" sei. Der Doppel-Wumms des Lebens war aber auch für unseren Daseins-Kanzler, ohne Aura und Gegenwart, zur Eigenrettung vergebens.
Wir konstruieren uns jeweils individuell und persönlich eine Gegenwart - und das auch noch stets im Nachhinein also "a posteriori". Das Nachdenken darüber, was "die" objektive Gegenwart wohl ausmachen könnte, als "die" oder besser "eine" Wirklichkeit und "die" oder "eine" Wahrheit, die damit verbunden sein könnte, durchzieht die gesamte Geschichte der Philosophie. Das einzig wirklich "allein" Objektive, was dabei übrig geblieben ist, ist die Tatsache, dass es einen für uns völlig fremden Kosmos zusammen mit einer uns umgebenden Natur gibt, an dessen Wunderhaftigkeit sich auch nichts ändern wird, selbst dann, wenn wir dorthin reisen dürfen. Dazu gehört die ebenso universale Erkenntnis dass wir alle uns von unserer jeweiligen uns fremden Geworfenheit des Schicksals nur partiell und zeitweilig befreien können. Nur die Gegenwart allein - außerhalb von uns Menschen, aber von uns als eine solche innerlich eben nicht wahrnehmbar, hat immer recht. Sie setzt die Fakten, die wir gegenwärtig nicht wissen sondern nur im Vorhinein ahnen und im Nachhinein konstatieren können.
Für uns "Neuzeitige" ohne Zeit, scheint sich die aktuelle Welt in einem Schwindel zu befinden. Da ich persönlich, medizinisch nachgewiesen, ab und an unter einem "gutartigen Lagerungsschwindel" leide, erschreckt mich die dramatisch taumelnde Lage, in der sich die Welt aktuell zu befinden scheint, nicht so wie andere Menschen; zumal ich durch einen jungen, aber für mich weisen Arzt gelernt habe, mich von diesem kurzzeitigen aber lästigen Schwindel zu befreien. Ich bin es auch von Geburt an schon gewohnt, dass sich die Welt für mich ständig ändert, und fast immer hat das Schicksal für mich auch irgendwie einen privaten und persönlichen "Purzelbaum" geschlagen.
Noch nie hat es ... und dabei hat es ... oft schon immer ... gegeben.
Unsere Eltern und Großeltern sind sogar in "Weltkriegen" aufgewacht, und die "Neugeborenen" mögen es kaum glauben, sie haben sie in gewisser Weise, zumindest einige von ihnen, sogar überlebt.
Nicht dass ich mir das "Gestern" deshalb zurück wünschen würde, und auch nicht möchte ich letzteres insofern beschönigen und in seiner Grausamkeit entschärfen, aber wir scheinen irgendwie die Relationen dazu verloren zu haben, wo "wir" uns aktuell befinden. Wir müssen und sollten uns nicht erst jetzt sondern schon immer regelmäßig neu finden und verorten.
Dabei ist ja auch dieses "wir", so wie die Gegenwart" ein reines "Hirngespinst" und Konstrukt. Meinen "wir", wenn wir von "wir" sprechen, also nur in deutscher Sprache, "uns" Deutsche, oder im Zuge von Pandemien und Klimakatastrophen "uns" Weltbürger? Wahrscheinlich ist es wohl eher so, dass ich, weil wir Berliner ja immer nur mit uns selbst befasst sind, "uns" Berliner meine, wenn ich von "wir" rede.
Dabei gibt es im Rahmen des konstruktivistischen Denkens ja selbst "mich" allein als eine stabile Identität schon gar nicht, weil ich, wie ich mich "selbst" sehe, und wie ich mich durch andere als ein "selbst" gerne sehen lassen möchte, ebenfalls gar nicht gibt, weil sich mein "Ich" von Gegenwart zu Gegenwart stets nur schon für sich als ein "Selbst" neu und anders konstruiert, ohne dass "wir" jemals selbst wissen können, was andere über "uns" denken.
Es dauert nur Bruchteile von Sekunden bis mein Gehirn aus den ihm zugänglichen Daten und Empfindungen das macht, was wir die Gegenwart nennen, und ist sie in Kopf und Seele erst einmal konstruiert und entstanden, dann ist sie in ihren "Bestand"teilen natürlich auch "längst" schon wieder entschwunden.
Mir persönlich erleichtert diese Weltsicht das Leben; es kommt mir nur sehr wenig und eher selten darauf an, was andere über mich denken, und das ist natürlich gelogen, denn sonst würde ich diesen Blog ja gar nicht schreiben.
Was bleibt mir also von "mir" übrig, wenn es weder mich noch die Gegenwart zu geben scheint? Alle Freiheiten und alle Freiheitsgrade dieser Welt - gäbe es da aber stattdessen eben nicht auch die widerwärtigen "Anderen", die mich in denselben auf eine mir fremde "egoistische" Weise einschränken.
Da sind sie also meine aktuellen Super-Feinde, diese Putins, Kim Jong-Uns, Xi Jinpings oder auch vielleicht demokratisch gewähltere Erdogans, Orbans, Trumps und Netanjahus. Und wo schon der Bauer den Merzen einspannt, ist mir auch ein weit wenig gefährlicherer Charakter bereits suspekt. Ich spinne mir meine Welt mit den Pros und Cons also zusammen und weiß dabei - allerdings leider nur für mich - genau das Böse vom Guten und das Falsche vom Richtigen zu unterscheiden, und genau das macht das eigentliche Desaster und die verkommene "Fehlerhaftigkeit" von Welt aus.
Rhetorisch und provokant mag solch eine Rechnung aufgehen. Das simple Freund- und Feind-Denken, darf für "Metaphern in der Rede" zwar durchaus angemessen sein, aber schon wenn ich meine Mitmenschen in der Konsequenz als "Sympathisanten von abstrakten Konstrukten" weit wenig dramatischerer und deutlich sympathischerer Couleur verunglimpfe, stimmt das Ganze bereits nicht mehr.
Darf ich mich also darüber freuen, dass durch die Initiative eines wohl eher geisteskranken Egomanen und seinem ebenso durchgeknallten Kompagnon mit der Teslafresse plötzlich ein rein wirtschaftlich interessengeleiteter - wenn auch vielleicht nur gegenwärtiger - Zeit-Frieden entsteht, und damit zumindest für einen absehbaren Zeitraum, das Morden, Vergewaltigen und Verstümmeln von Menschen und deren Behausungen zeitweise eingeschränkt und gestoppt wird, bevor dann doch wieder an anderer Stelle zur Be"fried"igung der internationalen Rüstungsindustrien ein neuer Krieg aufflammt?
Ich meine "Ja!": denn jeder gerettete Mensch, und auch die akut durch den Krieg so massiv zerstörten Kulturgüter, sind wertvoll, auch wenn eine solche "romantische" Weltsicht natürlich naiv ist. Ich lebe gerne in der Illusion, dass aus der modernen radikalen "Bumm-Bumm-Becker"-Welt mit einfach definierten Siegern und Verlierern für eine gewisse - von mir persönlich konstruierte - "softere" Gegenwart und Zeit die Kompliziertheit und Komplexität von Welt als ein stetes widersprüchliches Wundern und Erstaunen wieder in den Vordergrund tritt.
Natürlich brauchen wir für Ethik und Moral stabilere Prinzipien, und sollten diese jeweils individuell konstruieren und auch mutig und konsequent fordern und akut anstreben, aber die kleinen aktuell spürbaren Verwirrtheiten, neben dem klaren Morden auf der Basis von eiskalten Interessen, die sind der Mustopf, in dem die neuen anderen und vielleicht auf Dauer auch besseren Chancen wachsen.
Dies macht meinen eigenen persönlichen Optimismus aus, der mich vor den Albernheiten und Dummheiten selbst einer AfD in keiner Weise zittern lässt.
Der Mensch hat die Chance gut und richtig zu handeln, und er wird sie auf Dauer besser nutzen, auch wenn es den Zustand "ewiger" Glückseligkeit, aus welcher Pistole, Religion und Ideologie sie auf die Menschheit am "Ende" dann zukommen mögen, um "uns alle" mit dessen Phrasen und Worthülsen zu ersticken oder zu erschießen, niemals geben wird.