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4. Advent
Mein bester Freund: Das Eigentlich

DER TOD IST EIN PROBLEM ... EIGENTLICH

(vorgetragen - in Auszügen - auf einer Adventsfeier
unter Freunden und Bekannten und deren Kindern)


Mein bester Freund, das ist das kleine Wörtchen "eigentlich".

Nicht nur deshalb, weil es aus drei Silben besteht und insofern schon alleine "Dreieinigkeit" symbolisiert. Das Eigentlich ist etwas das über das "Ich" und das "Du" hinaus auf ein noch viel Größeres und Umfassenderes unter uns Menschen und im Weltall verweist. Ich liebe es, weil es in seiner Schlichtheit "trotz allem" soviel auszusagen vermag und letztlich all unsere Fehler verzeiht.

Das Eigentlich spricht den Unterschied zwischen dem "eigentlich" Gewollten,
und dem tatsächlich faktisch Erreichten an.

Am Anfang war das "Ei", in jedem Ei liegt auch ein Gen, und jeder anständige Mensch, jeder "Gent", der hat besondere Eigenschaften, und dafür steht die kleine Nachsilbe "lich" im Wort Eigentlich. Eigentlich ist das Eigentlich schon deshalb ein wunderbares Wort, indem es die Kulturgeschichte der Menschen vom einfachen Ei, über den gewachsenen anständigen vielzelligen Kulturmenschen in seinem jeweiligen Daseinsgefängnis bis hin zu seinen heutigen positiven wie negativen Eigenschaften mit seinen drei Silben so schön und letztlich auch frei durchläuft. Eigentlich!

Eigentlich könnte ich meinen Beitrag damit insofern jetzt auch bereits beenden, weil ich eigentlich mit den ersten Sätzen (dem Eingangsstatement) für einen externen Leser vielleicht zwar nicht "alles", aber zumindest für mich "Vieles" gesagt habe. Doch das wäre dann eigentlich auch wieder schade, weil man über das Eigentlich ja noch so viel mehr sagen kann.

Kinder gehen eigentlich gerne zur Schule, müsste man dort nicht die ganze Zeit still sitzen, und darf dann dort auch noch nicht einmal das spielen, was man eigentlich viel lieber statt Schule gerne zuhause spielen möchte. So ist es mir von meinem ersten bis zu meinem letzten Schulbesuch ergangen.

Eigentlich ist auch der Weihnachtsmann kein lieber Mensch, weil er seinen Knecht Ruprecht schickt um uns Menschenkindern den Hintern zu versohlen, nur weil wir einmal zu viel Quatsch gemacht oder den Eltern nicht gehorcht haben. Aber eigentlich wäre das Leben auch nur verrückt, wenn die Kinder „nie“ auf ihre Eltern horchen würden.

Eigentlich möchten Kinder schon aus Geschmacksgründen nicht immer genau das essen, was ihnen die Eltern vorsetzen, aber eigentllich sind Kinder dann auch wieder viel zu klug um sich mit ihren Eltern auch noch über das Essen zu streiten.

Eigentlich wollen Kinder gerne abends noch lange fernsehen oder am Computer spielen, aber eigentlich wissen sie dann auch, dass sie danach viel zu müde sind, um am nächsten Morgen zur Schule zu gehen.

Eigentlich finde ich auch die hier anwesenden Kinder gar nicht nett, ich tu nur so, als ob ich sie toll finde, damit sie mich nicht nachher auspfeifen.

Eigentlich ist mir auch dieser Putin, dessen Verbrechen ich Euch an anderer Stelle schon erklärt habe, völlig egal, würde er sich nicht mit solcher Gewalt in diesem Jahr so unnötig in unser aller Leben drängen.

Eigentlich gibt es gute Gründe angesichts von Corona, den Kriegen in der Welt oder der Klimakrise angstvoll in die Zukunft zu blicken, aber wenn wir wirklich nur Angst haben, dann sind wir wie gelähmt und können unsere Probleme auf Dauer nicht mehr lösen.

Die Erwachsenen verheimlichen Euch gerne die schönsten Dinge des Lebens. Über die Erotik zwischen den Menschen reden sie nur sehr ungern mit Euch, schon wegen der Nachbarn, Freunde, Bekannten und Verwandten, und vor allem dann, wenn diese auch noch zuhören können. Aber das habe ich Euch ja schon bereits erklärt, Erwachsene sind eigentlich wie scheue Rehe, sie fangen an zu springen, wenn sie zum Beispiel das Wort Sex hören.

Eigentlich ist es mir deshalb beispielsweise auch wurscht, ob hier auch schwule, eh ich wollte natürlich für die Kinder und Nachbarn sagen, Menschen in gleichgeschlechtlichen Lebens-Partnerschaften anwesend sind.

Eigentlich nicht egal ist mir allerdings, dass Menschen mit einem solchen "erotischen Migrationshintergrund" noch immer in Russland, China, Ungarn, Polen, dem Iran, Afghanistan, Indien oder der Türkei verteufelt und verfolgt werden.

Eigentlich ist es mir auch egal, was meine Frau jetzt über meinen Vortrag denkt, aber ich möchte doch nicht, dass sie sich für meine frechen Worte im Anschluss fremdschämen muss.

Das Eigentlich ist also ein sehr nützliches und liebevolles Wort, mein liebstes Wort, weil es alles verzeiht.

Das Eigentlich habe ich mir deshalb auch für meine "letzte" (Nachricht) Message aufgehoben. Es sollte für all das, was mir in meinem Leben nicht gelungen ist, zu meiner eigenen "Entschuldigung" auf meinem Grabstein stehen, sofern mich meine Frau - aus guten Gründen - nach meinem Tod nicht doch noch einfach - auch ohne ein Andenken aus Stein - nur verbrennen möchte.

"Eigentlich habe ich dieses und jenes
in meinem Leben nicht nur gewollt,
es ist mir leider einfach nur allzu selten,
und oft gar nicht gelungen.
Schade Eigentlich!"

So ist das mit dem Advent, der Weihnacht und dem Leben überhaupt, wir haben
eigentllich viel Zeit um gut zu leben und Gutes zu tun, machen wir aber nicht, weil wir eigentlich ja eben doch keine Zeit dafür haben.

Ein alte Zen-Weisheit, die lautet:
Eigentlich sollten wir jeden Moment wie die Ewigkeit behandeln.
Und die Ewigkeit ist deshalb eigentlich dieser Moment.

Deshalb sollte ich eigentlich jetzt auch zu reden aufhören, weil das, was ich gesagt habe, ja eigentlich eh alles nur Quatsch ist, und ich jetzt nicht nur eigentlich sondern tatsächlich auch nur noch Hunger und Durst auf diesem Fest habe.