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"Teleromantik" (Zur Erinnerung an das Jahr 2010):

Digitale Pfade (Digital Paths) -
Intermodale und multimodale Medien
als Verknüpfungspunkte und Wegweiser
einer neuen Moderne

(ein Text von mir aus dem Jahr 2010)

Nach der Zukunft des Business im Internet zu fragen ist so absurd, wie nach der Zukunft des Verkehrs auf der A2, der wichtigsten Autobahn in Deutschland, zu fragen. Und doch machen beide Fragen in einem sehr eingeschränkten Umfang einen Sinn. Die erste zynische Antwort bezogen auf das aktuell vorfindbare Internet könnte lauten: Die Gegenwart von Business und Verkehr im Web ist vor allem pornographisch, und Pornographie hat schon immer ihren Markt gefunden. Jeder, der ein bisschen tiefer in das Internet eindringt, weiß, dass das Internet längst zur schonfreien Zone sexueller Begierde geworden ist.

Schnelllebigkeit, Kurzfristigkeit und das sofortige Erleben sind Merkmale moderner zwischenmenschlicher Beziehungen geworden. Statt gefühlvoller Lyrik, die ihre Zeit braucht, sondern wir instantan eine sms ab, und schneller als jemals zuvor finden wir nicht nur Inhalte sondern auch die gewünschten wechselnden Partner im Netz. Die Sehnsucht nach sexueller Erfüllung, aber auch nach Erotik und Liebe hat sich schon immer der jeweils dominanten Medien bedient, und diese haben sich in den letzten Jahrzehnten beschleunigt gewandelt. Vor diesem Hintergrund sollten wir uns fragen, ob es wirklich noch Sinn macht, medienspezifische Zukünfte zu diskutieren: die Zukunft des Fernsehens, die Zukunft des Radios, die Zukunft der Zeitung oder die Zukunft des Internets.

Broken Media – oder unsere Medien werden immer situativer

Ein neuer Medientypus ist im entstehen. Situative Medien nehmen die symbolische Erzählkraft der „alten“ Medien auf und transponieren sie in neue mobile und flexible Kontexte. Die „klassischen“ Medien lösen sich tendenziell auf und verflüchtigen sich in neue Interfaces, Settings oder Environments, ohne deshalb aber schon gleich in Gänze zu verschwinden.

Die neue virtuelle Architektur der Medien dramatisiert das Wahrnehmungstheater nur neu und öffnet damit die ungleichzeitigen veränderten Wege, die wir in der Welt des „digitalen Webs“ durchgehen und durcheilen.

Die neuen digitalen Pfade sind unbestimmt und neue Wegweiser tauchen auf.

Wir verlassen die ausgetrampelten Pfade, gehen neue individuelle Wege, bauen zugleich aber auch neue Hauptstraßen und Autobahnen in bisher nur wenig versorgte Regionen. Um neue landschaftlich reizvollere individuellere Wege zu erschließen und zu erkunden, machen wir unsere Settings mobiler und die Anwendungen flexibler. Verbunden mit diesem Ausbau sind neben den positiven Errungenschaften der Erweiterung unseres Sensoriums aber auch die aus dem physischen Verkehr bekannten Probleme, wie Dislokationen und Hypernutzungen, Verstopfungen und Verzögerungen an unerwünschten Orten oder in unerwünschten Situationen, und auch die Vermehrung des virtuellen Verkehrs kann durchaus gefährlich werden.

Das Internet als Common Carrier –
Eine Welt ohne dominante Leitmedien

Das Internet wird wieder zum „common carrier“ was seiner ursprünglichen Funktion auch entspricht. Viele sehen heute bereits im Web das neue Leitmedium und die neue Leitkultur. Dabei ist das Internet selbst, zumindest als HTML-Web, bereits im Prozess des Entschwindens.

Nachdem das Internet mit der Sinnmaschine WEB in den letzten beiden Jahrzehnten mehr oder weniger explodiert ist, implodiert es nun als ein Common Carrier.

Indem das Internet zum „Channel“ für alles und jeden geworden ist, verliert es sein informations- und html-lastiges Profil. Es wird bedeutsamer, aber dabei als Medium selbst weniger spürbarer. Die „Inhalte“ des „Internets der Zukunft“ sind weniger Texte und „Dokumente“, selbst wenn sie als solche bereits zu Hypertexten geworden sind. Sie werden zu neuen Parametern des Lebens, Anregungen zu neuen Beziehungen und Vernetzungen, zu neuen Regelungs- und Verkehrsweisen bis hin zum „Internet der Dinge“.

Alle klassischen Medien gehen cross- mediale Symbiosen mit dem neuen Netz ein, und verwandeln sich dabei selbst. Wir sollten deshalb in Zukunft weniger von Fernsehen, Film, Radio, Zeitung oder dem Internet als Konkurrenten um die Führungsrolle und Leitmedium der Moderne reden, als vielmehr über die Zusammenhänge nachdenken, die Settings, die Architekturen, in denen wir Medien verwenden.

So wird es innerhalb unserer Wohnungen, wenn dies die Größe unserer Habitat zulässt, Wohnzimmer-, Badezimmer-, Schlafzimmer- oder Küchenmedien geben, und außerhalb unserer Wohnungen und Arbeitsstätten in Zukunft wohl eher Automedien, Reisemedien, Restaurant- oder Flaneurme- dien. Der Medienbegriff wandert also vom Nutzungsort und Gerät weg in Kontexte, in denen das, was wir tun, wohl eher bestimmend dafür sein wird, wie das Medium zu benennen und zu qualifizieren ist.

Das Medium wird vom Substantiv zum Verb und beschreibt unsere veränderten und vermittelten Tätigkeits- und Erlebnisbereiche.

GPS ist zum Beispiel ganz aktuell neben dem Autoradio „das“ Automedium geworden und versperrt deshalb vorerst dem mobilen TV und dem mobilen Internet den Weg in das geliebte Gefährt.

Auch in der Wohnung findet eine Neusortierung der Medien statt. Das Radio und die häuslichen Surround-Soundsysteme haben als Badezimmer-, Flur- und Küchenmedien in der Rangfolge der diffundierenden und sich verflüchtigenden Raummedien historisch einen vorderen Rang erobert. Sie werden nun immer mehr mobil durch das Handy, den Mp3-Player oder das I-Phone in der Aufmerksamkeit und Widmung innerhalb der Wohnung bedrängt.

Die medienzentrierte Aufmerksamkeit, die für die werbetreibende Industrie so wichtig ist, zersplittert sich auf allen Ebenen in gebrochenen Mediennutzungen und -erfahrungen, ohne deshalb aber vorerst noch ihren Wachstumsimpuls zu verlieren.

Immer mehr Lebensbereiche geraten in den Bann der neuen mobilen und flexiblen Medien. Vergleichbar ist dieser Trend nur mit dem der in der Frankfurter Schule so intensiv thematiserten „Kolonialisierung der Lebenswelt“, nach der auch alle privaten Lebensbereiche mehr und mehr zur Ware wurden, und damit in einen monetären Bewertungskontext gelangten.

Löst das mobilisierte Internet im Wohnzimmer das Fernsehen ab?

Selbst das Fernsehen, das zwar vorerst noch, vor allem in den Familienhaushalten, „das“ Wohnzimmermedium schlechthin geblieben ist, hat Konkurrenz bekommen. Nachdem das Fernsehen als elektronische Tapete einen Form- und Funktionswandel durchlaufen hat, muss es nun in neuen Settings - insbesondere in den Haushalten der Singles - um seinen angestammten dominanten Platz bangen; denn das Internet diffundiert vom Desktop weg in das gesamte heimische Ambiente.

Der große Screen im Wohnzimmer wird medienoffener und zum universellen Verteilzentrum für multimediale Inhalte. Das Internet wird dort als Begleit- und Alternativmedium zum Vorboten eines „enhanced TV“, bevor es das klassische TV in den neuen multimedialen „Bouquets“ demnächst vielleicht ganz verschwinden lässt.

Notebook am Esstisch, Netbook, I-Phone bzw. E-Reader im Sessel oder gar im Bett verwendet und genossen, sind Wegweiser einer Miniaturisierung der Geräte, die eine Mobilisierung und Flexiblisierung der Nutzungsweisen und Nutzungsorte provoziert. Wir werden in einer schon nicht so weit entfernt liegenden Zukunft auf mal großen, mal kleinen, mal festen und mal mobilen Screens - je nach sozialer Lage oder persönlicher Situation - im Modus/Setting deutlich „freier“ und „flexibler“ - nur noch das tun, was keinen engen geräteorientierten Medienbegriff mehr kennt, nämlich uns un- terhalten, uns informieren und uns dabei gleichzeitig vernetzen und auf elaboriertem Niveau miteinander kommunizieren.

Die Bindung der Medien an einzelne bestimmte physische Modi und Organisationsweisen wird dann ganz entfallen. Medien sind die Architektur der Zukunft und lösen die Dauerhaftigkeit und Behäbigkeit der alten Architekturen in einen neuen Fluss der Veränderung auf.

Die multimodale Mediennutzung

Das Radio im Internet oder das Fernsehen auf dem mobilen Telefon und Zeitung oder Buch auf dem Reader beschreiben den neuen Trend. Nicht mehr die Geräte, oder haptische Printprodukte sind Stellvertreter für ihre Medien – Medien sind volatil und damit flüchtig und veränderbar geworden.

Die „User“ haben sich von alten Beschränkungen in der Mediennutzung „befreit“. Sie wurden frei von zeitlichen Restriktionen durch das Programm und werden in Zukunft auch gänzlich frei geworden sein von der Bindung an Orte, an denen sie die „alten“ Medien klassischerweise rezipierten.

Mit der Vermehrung der Medien und der Medienangebote haben sich aber gerade auch die Situationen, die Settings multimodal gewandelt, in denen wir Medien nutzen. TV in der Kneipe, Internetradio am Schreibtisch zuhause oder im Büro, E-mail- und Webabrufe im Restaurant, mobiles Telefonieren während einer Zugfahrt oder das E-Reading im Flugzeug sind nur Beispiele für eine allgemeine Veränderung der Kommunikationsanlässe und Kommunikationssituationen in den jeweiligen Lebensbezügen.

Für diese neuen Situationen braucht es einen jeweils neuen Stil, einen neuen Umgang und eine neue Ethik.

Die neue Balance aus Konvergenz und Divergenz:
Neue Medien und der harte ökonomische Kampf um den One-Stop-Shop

Einerseits spricht man von einer technischen und ökonomischen Konvergenz der Medien, andererseits weiß man aber, dass diese zu einer Pluralisierung der Lebensstile und einer Beschleunigung von Veränderung beigetragen haben, die unsere modernen Gesellschaften bisher noch kaum bewältigen konnten.

Die Rasanz der Veränderung wirft viele neue Fragen auf. Intermodalität und Multimodalität bedeuten aber auch, dass sich die Anbieter von Informations-, Unterhaltungs- und Kommunikationsdienstleistungen verändern. Die Beziehung zum Kunden steht im Mittelpunkt. Die Konsumenten der Zukunft werden mit „Produkt- und Service-Bundles“ oder Programm-“bouquets“ versorgt, bei denen der jeweilige Anbieter mehrere Medien zugleich vermarktet.

Alle großen Anbieter wollen zum „One-Stop-Shop“ ihrer Kunden und somit zum Gemischtwarenladen für alle werden. Dass dies einer konsequenten und scheinbar auch wirtschaftlich erfolgreichen Herausbildung von Discountern im allgemeinen Konsum folgt, ist nur allzu verständlich.

Es gibt genügend Platz für „alte“ Medien
im pluralisierten Mediensetting

Im pluralisierten Mediensetting behalten dennoch auch eher „verstaubte“ Medien durchaus ihren Platz. Noch immer werden persönliche Briefe geschrieben, wenn auch deutlich weniger. Die Haptik von Zeitung und Buch wird noch für viele Jahre, sogar im Zeitalter der Konvergenz, ihre Liebhaber bewahren. Intensivieren aber wird sich der Wettbewerb unter den Anbietern ganz allgemein. Nur starke Marken werden reüssieren, und der kostenseitige Druck auf die Produktion und das Marketing wird sich deshalb erhöhen.

Auch die elektronische Papierlosigkeit, eine alte Vision zur Schonung von Ressourcen, entpuppt sich zumindest vorerst wohl eher als eine Illusion; dafür spricht nicht zuletzt der immens gewachsene Verbrauch an Druckfarbe und Druckmaterialien an den „Terminals“ der Information.

Der doppelt billige Charakter des Netzes

Das Web im Internet ist vorerst im doppelten Sinne noch zu billig. Der heilige Mediengral scheint irgendwie selbst nicht wirklich etwas wert zu sein.

Internetkommunikation ist, wie viele andere Medien auch, primär Prothese des Authentischen. Das verbindet das Internet mit anderen Medien wie dem Fernsehen. Je teurer, je schwieriger und je häufig unmöglicher das Leben aus erster Hand wird, um so preiswerter erscheint uns das Leben aus zweiter Hand.

Discountprodukte verkaufen sich bestens. Das gilt auch für das Internet; denn als ein System, das Anschluss ohne Inhalt verkauft, ist es ein kommerzieller Renner. Nur selten haben Produkte, wie der Zugang zum Internet, so schnell und in einer solch kurzen Einführungsperiode eine solch hochprozentige Marktdurchdringung erzielt. Steigbügelhalter war zwar das allseits beliebte und begehrte Telefon, aber dieses hätte in seiner tradierten Form den Konsumenten ja auch genügen können. Das Internet muss also für die Konsumenten schon zusätzlich sehr bestechend sein; wenn es in solch kurzer Zeit eine derart umfassende Veränderung unserer privaten, politischen oder wirtschaftlichen Beziehungen einzuleiten vermochte.

Teleromantik hat Zukunft –
Der Zugang zum Netz sollte bald überall kostenfrei sein

Offen ist, ob die aktuell recht niedrigen Flatrates im Zugang erhalten bleiben. Hier sind die Monopole sehr stark. Zudem wissen wir nicht, was Internetkommunikation heute betriebswirtschaftlich wirklich kostet. Die Entflechtung der Kommunikationsbranche ist dringend geboten, bevor nach dem One-Stop-Prinzip nur noch wenige Großanbieter den Zugang zum festen wie mobilen Netz kontrollieren.

Wer den Zugang kontrolliert, kontrolliert auch die Inhalte. Dazu darf es nicht kommen.

Der freie kostenlose Zugang zum Internet für alle Bürger wäre eine große soziale Errungenschaft. Wir wissen zudem auch nicht, wie die technologische Struktur des Internets in Zukunft in eine bedachtsamere und nachhaltigere Ressourcenplanung überführt werden kann.

Der exponentiell wachsende Datenverkehr überfordert aktuell alle Prognostiker der Entwicklung. Die Kollateralschäden des Generierens von Verbindungs-Begleiteffekten auf vernetzten Computern durch mehr und mehr schneeballartig verknüpftere Transaktionen sind noch nicht vollständig durchschaut.

Semantische Netze und auch das Cloud-Computing könnten durch simple Anfragen ein Feuerwerk von energieaufwendigen Folgetransaktionen auslösen. Sind unsere Infrastrukturen auf dieses gigantische Anwachsen wirklich vorbereitet, oder droht irgendwann auch hier ein „Supergau“?

Die Zukunft des Web werden seine besseren Geschichten sein

Die klassischen Medien werden ihrer verfassungsmäßigen Aufgabe, eine vierte kontrollierende öffentliche Gewalt zu sein, immer seltener gerecht. Sie sind zu Wertschöpfungsmaschinen der Beliebigkeit verkommen und könnten statt kritischen „Inhalten“ auch Badeaccessoires verkaufen.

Das Web hat hier im Gegenzug durch seinen basisdemokratischen Impuls einen frischen Wind geschaffen, den es gegen das von den Verlegern und unterfinanzierten kommerziellen Anbietern am neuen Markt behauptete soziale „Drama der Nichtbezahlbarkeit“ vehement zu verteidigen gilt.

Das Internet entwertet gerade die Priesterschaft und die geldgierigen Ablassprediger der Information: den modernen nur noch „wertschöpfenden“ Journalismus. Das sind in der Regel aber nur die Arrivierten und vorteilnehmenden Mitläufer eines Systems, das vorgibt eine soziale Funktion zu erfüllen, und stattdessen immer mehr den Eigennutz in den Mittelpunkt der eigenen Aktivitäten stellt.

Es gibt neben den vielen wunderbaren qualifizierten und kritischen Journalisten kaum eine korruptere soziale Kaste wie die nutznießenden profijournalistischen und häufig zynischen Mitläufer der entpolitisierten servilen Medienverlage. Deren unglaubliche eigene Privilegien (wie Journalistenrabatte, PR-Reisen, Gästelisten, diverse „Test“-Geschenke zur privaten Nutzung) und Unzulänglichkeiten (wie Oberflächlichkeit, Selbstgefälligkeit, Parteibuchjournalismus) wurden und werden durch die pseudokritischen professionellen „Gatekeeper“ selbst bisher kaum ernsthaft reflektiert und thematisiert.

Ein Politiker muss für die private Vorteilsnahme durch Flugboni im Promillebereich bereits seinen Hut nehmen. Für einen Journalisten grenzt ein Verkaufsangebot durch einen Autohändler für einen privaten PKW mit einem Journalistenrabatt von (nur!) unter 25 Prozent schon fast an Beleidigung.

Verleger wissen um diese Privilegien und nutzen sie, um prekäre und unterbezahlte Arbeitsverhältnisse zu kaschieren. Die häufig aktivsten und qualifiziertesten Journalisten findet man im Kontext großer Verlage oder Medien zumeist unter den Freien. Letztere aber sind die eigentlichen Träger des Risikos der nicht mehr bezahlten Entprofessionalisierung der Medienproduktion.

Qualität im Journalismus ist kein Produkt sondern eher eine Haltung. Dies macht die Debatte um die „Kosten“ der Qualität so schwer. Investigativer Journalismus wird durch mehr Geld auch in Zukunft nicht garantiert werden können, aber weniger Geld und Aufwand für die Redaktionen in der Online-Welt machen guten Journalismus nicht zwingend wahrscheinlicher.

Engagierter und guter Journalismus kann sich auch aus einem nur wenig oder gar nicht bezahlten Gemeinsinn speisen, und wenn Leser im Web dann ein solches Produkt „vor Augen“ oder „vor Ohren“ haben, werden sie nicht zwingend darunter leiden. Wenn also der user generated Content, die romantischen, rebellischen und antimonetären Initiativen von Amateurjournalisten fördert, so ist der soziale Nutzen doch evident, vor allem dann, wenn eine weiterhin akzeptable Vielfalt durch bezahlte professionelle Angebote in klassischen oder neuen Medien erhalten bliebe.

Das Internet auf dem Weg von der Information zu
Unterhaltung,
Service, Vernetzung und Transaktion

Das Web wird in Zukunft immer weniger Informations- und Meinungsmedium bleiben und mehr und mehr zum Unterhaltungs-, Transaktions-, Vernetzungs-, und/oder Servicemedium werden, und gerade hier hat das Internet auf dem Gebiet der Aktualität und Ausführlichkeit die Lokal- und Regionalzeitung längst eingeholt.

Diese Dimension des offenen Webs, Serviceangebote für alle und jedes zu finden, wird sich auch durch die neuen Applet-Händler nicht mehr zurückholen lassen.

Der Wunsch, Kauf-, Miet-, Leasing-, Abonnement- oder Servicenut- zungsentscheidungen im engen lokalen oder regionalen Umfeld möglichst fundiert und „informiert“ treffen zu können, der wird immer ausgeprägter und wird am besten durch intermodale und multimodale Medien bedient werden.

Wenn der Printsektor kreativ neue Produkte und Geschäftsmodelle vorstellt, so kann er komplementär durchaus mithalten, und noch ist er ja schließlich der dominante Zulieferer für regionale und lokale Informationsangebote an den privaten Haushalt. Das kostenlose rein werbefinanzierte Anzeigenblatt hat sich ja sogar parallel zum Internet etablieren können und erfreut sich auch offline größter Beliebtheit.

Die Zukunft des Internets:
Qualität im Kontext der transmodalen Vernetzung

Es lässt sich im Netz zu schwer Geld verdienen, wird von den kleinen und mittelständischen neuen Anbietern von Daten oder Diensten im Netz zur recht immer wieder behauptet. Es lässt sich aber auch mit dem Gespräch unter Freunden nur schwer Geld verdienen … UND DAS IST AUCH GUT SO.

Das Lamento über den zahlungsunwilligen User im Netz ist inzwischen altbekannt und macht doch nach wie vor wenig Sinn.

Solange sich das Netz immer mehr in ein Netz der „Techniken der Gemeinsamkeit“ verwandelt, um so mehr müssen dann in der Tat auch diejenigen ihr „Leiden“ zu akzeptieren lernen, die das Netz primär als ein Verteil- und Verkaufsnetz von Daten oder Inhalten begreifen.

Warum sollten auch alle Anrainer an einer Autobahn oder Bundesstrasse davon ausgehen, dass sie ein quasi natürliches Recht haben am vorbeifließenden Verkehr mit zu verdienen, nur weil ihr Haus dort liegt? Sie liefern im Gegensatz zu erfolgreichen Restaurants, Gast- oder Raststätten entlang der Wegstrecken kein adäquates Qualitäts-Angebot für die potentiellen Kunden, das entsprechend nachgefragt wird, und werden deshalb zu recht nicht an der Wertschöpfung beteiligt.

Im Internet müssen deshalb ähnliche Regeln des Marktes gelten.

Solange es neben den „active values“ der Chats, Blogs auf den Facebooks und Twitters von Amateuren im Netz auch kostenlose professionelle PR, sowie kostenloses Marketing oder kostenlose Werbung gibt, wird es - schon auch aus diesen „anderen“ Gründen in Zukunft Gratisinhalte im „Billignetz“ geben. Deshalb werden alle, die in Zukunft Inhalte zusätzlich verkaufen wollen, vor allem interessante neue Produkte und herausragende Qualität liefern müssen.

Das Gratisinternet ist also weniger eine Bedrohung als vielmehr eine Herausforderung und eine Chance. Ist das ein schlechter Trend?

(Quelle: Ulrich Lange, Digitale Pfade (Digital Paths) - Intermodale und multimodale Medien als Verknüp-fungspunkte und Wegweiser einer neuen Moderne, in: Marion Fuglewicz-Bren, Martin Kaltenböck, Günther Friesinger, Thomas Thurner und Semantic Web Company, (Hrsg.), ZukunftsWebBuch 2010, Wien 2010)